Gegrüßt
seist du, Mond-Thot, der die Zunge des einen Landes von
der des anderen getrennt hat! (Leipzig, Ostrakon, Inv.
Nr. 3954)
Fremdsprachigkeit
im Alten Ägypten[1]
(traduction
française)
Nähert
man sich dem Thema Fremdsprachigkeit, scheint auf den
ersten Blick in den Quellen Sprachlosigkeit zu herrschen.
Das ist Ursache und zugleich Folge der Tatsache, daß diese
Fragestellung in der Ägyptologie wenig thematisiert wird.
Zum Thema Fremdsprachigkeit existiert in unserem Fachgebiet
derzeit keine Monographie oder größerer Beitrag, wenn
auch verstreut sehr wichtige Ansätze zu finden sind, die
unter anderem Ergebnis anderslautender Untersuchungen
waren. Als Beispiel sei hier nur Siegfried Morenz genannt,
der in seinem Abschnitt Die ägyptische Literatur
und die Umwelt im Handbuch der Orientalistik
auf Fremdsprachigkeit im Alltag als technische Grundvoraussetzung
für literarischen Austausch innerhalb des allgemeinen
Kulturaustausches eingeht.[2]
In der vorhandenen Sekundärliteratur zum Thema werden
bis auf wenige Ausnahmen nur zwei bekannte literarische
Quellen, Sinuhe und Wenamun, herangezogen und meist durch
ein oder zwei außerliterarische bzw. kulturelle[3]
Quellen komplementiert, die den König und seine Handlungen
betreffen, Titel aus dem Expeditionswesen, Handel oder
Militär enthalten oder aus dem medizinischen Bereich stammen.[4]
Die
historische Realität mit ihren umfangreichen diplomatischen
und wirtschaftlichen Kontakten zwischen Ägypten und dem
Ausland, der nachweisbaren Existenz von Ausländern in
Ägypten sowie von Ägyptern im Ausland spricht jedoch gegen
den Befund der Sprachlosigkeit. Folglich ist es notwendig,
nach möglichen Orten zu suchen, an denen die Ägypter Fremdsprachigkeit
thematisieren könnten. In Frage kommen Bereiche, in denen
sie mit Sprechern fremder Sprachen zusammentreffen, wie
dem Handel, Expeditions- und Militärwesen, dem Import
von Arbeitskräften und Kindern fremder Völker in Ägypten,
diplomatischen Beziehungen und Ägyptern an fremden Königshöfen
sowie Alltag und Fremdsprachenunterricht an Schulen.
Die
Betrachtung von Fremdsprachigkeit ist immer verbunden
mit dem Fremdenbild der Ägypter. Ägyptologische Untersuchungen
zum Fremdsein bauen aufgrund der überwiegenden
offiziellen Quellen, die z.B. das Schlagen der Feinde
zeigen, im allgemeinen auf der Gleichsetzung Fremder =
Feind auf[5] oder überbetonen diese
eine Sichtweise der Ägypter. So wirkt die Diskussion zum
Fremden etwas einseitig.[6] Ich möchte das Thema der Fremdsprachigkeit
auf der Grundlage der Fremdheitsbetrachtungen von Jan
Assmann behandeln, der in seinem Artikel Zum Konzept
der Fremdheit im Alten Ägypten dargestellt hat,[7]
daß zur Untersuchung des Fremdseins neben dem Aspekt der
Fremdheit auch der der Zugehörigkeit sowie die Techniken
gehören, mit Hilfe derer eine Kultur mit Fremdheit umgehen
kann und sie verstehen will. Daraus wird deutlich, daß
man sich auch den Spuren des Alltags zuwenden muß, um
Orte finden zu können, an denen die Ägypter selbst Fremdsprachigkeit
thematisiert haben.
Die
einzige im Bewußtsein der Ägypter existente Sprache war
zunächst das Ägyptische. Ausnahmen wurden im Alten Reich
eigentlich nur dort thematisiert, wo sie im Alltag augenscheinlich
waren, also in den Grenzbereichen des Reiches, in denen
man mit Sprechern anderer Sprachen zusammenstieß.[8] So wurden sprachliche
Beziehungen nur indirekt über den Titel eines Dolmetschers
oder durch Darstellung ankommender Schiffe mit syrischen
Händlern im Grabtempel des Sahure angezeigt.[9] (siehe Abbildung 1)
Abb.1: Ankommende Schiffe mit syrischen
Händlern. In: Borchardt, Ludwig, Das Grabmal
des Königs SáAHu-Rea, Bd.2 Wandbilder,
Ausgrabungen der Deutschen Orientgesellschaft 7, Leipzig,
1913, Tf.12.
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Erst
im Neuen Reich wurde Sprachverschiedenheit im Zuge der
allgemeinen Öffnung Ägyptens nach außen in stärkerem Maße
thematisiert.[10] Seit dieser Zeit erkannte man
auch offiziell die Koexistenz mehrerer Sprache an, wobei
die Ägypter ihre Sprache weiterhin als die allein maßgebliche
ansahen. Wie das im Titel genannte Ostrakon zeigt, war
es Thot, dem das Trennen der verschiedenen Sprachen zugesprochen
wurde.[11] Vor dem Neuen Reich
wurde die Sprache der Menschen, also das Ägyptische,
derart hochgeschätzt,[12] daß seine Beherrschung durch
Fremdsprachige von seiten der Ägypter vorausgesetzt wurde.
So konnten sich literarische Figuren wie Sinuhe oder Wenamun
im Ausland ohne große Schwierigkeiten auf Ägyptisch unterhalten,
das von den Ortsansässigen, also den vom ägyptischen Standpunkt
aus gesehen Fremden, oder zumindest deren Elite gesprochen
wurde. Auch in nichtliterarischen Quellen stößt man auf
die Überzeugung, daß Ausländer des Ägyptischen mächtig
zu sein haben. Wenn in einem Brief Amenhotep II. an den
Vizekönig von Kusch Usersatet eine Aufforderung
lautet: Hör also nicht auf ihre Worte und kümmere
dich nicht um ihre Botschaften.,[13] so spielt das nicht auf Usersatets mögliche Fremdsprachenkenntnis
an - wie aus derselben Inschrift hervorgeht, war er mit
einer Frau aus Babylon verheiratet -, sondern setzt voraus,
daß die Ausländer ihr Anliegen verständlich vorzubringen
haben.
Die
expandierenden Beziehungen des Neuen Reiches erforderten
auch von mehr Ägyptern Mehrsprachigkeit. Dem versuchte
man entgegenzuwirken, indem man die Ägyptisierung von
Fremden sowie die Sprachvermittlung des Ägyptischen an
sie intensivierte. Das konnte bis zum zwangsweisen Sprachunterricht
gehen, wie die Felsenstele Ramses III. aus dem Ptah-Sanktuar[14]
am Eingang des Tales der Königinnen zeigt.[15] (Siehe Abbildung
2) Die Ausländer, die in dieser Zeit in Ägypten bis in
hohe Positionen aufrückten, trugen wider Erwarten kaum
zu einer Steigerung der Mehrsprachigkeit bei den Ägyptern
bei.[16] Die Fremdsprachenausbildung
der Ägypter fand nur vereinzelt von Lehrer zu Schüler
statt und nur dort, wo sie benötigt wurde.[17]
Abb.2: Felsenstele
Ramses III. aus dem Ptah-Sanktuar am Eingang
des Tales der Königinnen. In: Lepsius, Karl Richard,
Denkmäler aus Ägypten und Aethiopien nach den Zeichnungen
der von seiner Majestät..., Bd. 3, Berlin, [1851],
Tf. 281c.
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Im
Zusammenhang mit der spürbaren Weigerung, Fremdsprachen
zu erlernen, hat Friedrich Junge im Lexikon der Ägyptologie
einen interessanten Gedanken geäußert.[18] Er sieht den Zustrom von Fremdwörtern
in die ägyptische Sprache, der ab dem Neuen Reich als
Auswirkung der diplomatischen, militärischen und kulturellen
Aktivitäten faßbar wird, als Folge der Verweigerung der
Mehrsprachigkeit, so daß fremde Bezeichnungen direkt in
die eigene Sprache integriert wurden. Die Bezeichnungen
waren meist altkanaanäischen oder keilschriftlichen (mittelassyrischen
und -babylonischen) Ursprungs.[19] Die anderen Nachbarsprachen, wie
Churritisch, Urartäisch, Elamitisch, Hattisch oder Lykisch,
um nur einige zu nennen, übten ebenfalls einen, wenn auch
nicht so deutlichen Einfluß aus. Da sie ihren Ursprung
in klar definierten Lebensbereichen hatten (Militär, Verwaltung,
Gartenbau, Handel), wurden sie hauptsächlich auf bestimmte
Bereiche übertragen: auf Luxusgüter, Militär- und Verwaltungstechnik,
Abgabenpolitik, landwirtschaftliche und handwerkliche
Produkte. Naturgemäß sind sehr viele Fremdwörter bei Toponymen
anzutreffen.[20]
In
etwas breiterem Umfang praktizierte Mehrsprachigkeit begegnet
uns erst ab der 3. Zwischenzeit mit dem Eindringen der
Fremdherrschaften. Mehrsprachigkeit wurde als notwendiges
Übel angesehen, um sich mit den neuen Herren verständigen
zu können. Gleichwohl strebte hauptsächlich die Priesterschaft
an, die eigene Sprache vor kuschitischen, assyrischen,
persischen und letztendlich auch griechischen Einflüssen
zu bewahren. Kurioserweise sind es gerade die sogenannten
Bilinguen, Texte, deren Wortlaut sowohl in demotisch als
auch griechisch abgefaßt war, welche die allgemeine Unkenntnis
fremder Sprachen anzeigen. Bei einer Bevölkerung, die
neben ihrer Muttersprache auch der griechischen Amtssprache
mächtig gewesen wäre, wären bilinguale Texte überflüssig
gewesen. Diese Dekrete wurden von Ägyptern konzipiert,
auf griechisch abgefaßt und anschließend ins Ägyptische
übersetzt.
Eine
lexikalische Untersuchung zum Wortfeld Fremdsprachen
sprechen kam auf der Grundlage der Zettelkästen des
Altägyptischen Wörterbuches der Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften sowie weiterer mir zugänglicher
Quellen zu folgendem Ergebnis: Neun Begriffe ließen Äußerungen
zur Fremdsprachigkeit erwarten: Aaa, wHa, rA, xrw, mdw / md.t, nc,
wpj, cTnj, Dd. Davon ließ sich allein xrw Stimme im Zusammenhang
mit Fremdsprachigkeit nicht nachweisen. Die anderen acht
Termini wurden verwendet, um Fremdsprachigkeit auszudrücken,
wobei die Anzahl der einzelnen Belege zu jeder dieser Wendungen
differierte. Von den übrigen sieben hebt sich sehr stark
Aaa ab. Allein Aaa ist im Deutsch-Ägyptischen
Wörterverzeichnis unter fremde Sprachen sprechen
verzeichnet.[21] Als
einziger Begriff ist dieser, der auf die Wurzel jaAw zurück geht und so auch den Titel
mr-aw mit
einschließt, ausschließlich negativ im Sinne Fremder = Feind
konnotiert und bezeichnet das Sprechen fremder Sprachen
im Zusammenhang mit unverständlich murmeln, schwatzen
oder verworren reden, so daß eine Wertung schon
im Begriff selbst steckt. Die verbleibenden sieben Begriffe
konnten durch Zusätze jeweils auf die ägyptische wie auch
ausländische Sprachen angewandt werden, so daß hier die
Sprachen relativ wertungsfrei nebeneinander stehen: Es wird
mit ihrer Hilfe die Existenz anderer Sprachen festgestellt.
Entsprechende Wertungen werden durch den Kontext erreicht.
Ferner
konnte ich eine Sammlung von 31 textlichen Quellen von
dem Alten Reich bis zur Spätzeit zusammenstellen - nicht
viel, wenn man den langen Zeitraum ansieht, aus dem die
Quellen stammen, jedoch viel mehr und differenziertere
Belege, als das Thema anfangs erhoffen ließ. Diese Sammlung
wird zukünftig noch zu erweitern sein. Hinsichtlich der
zeitlichen Einordnung des Materials läßt sich sagen, daß
bei fortschreitender historischer Entwicklung Fremdsprachigkeit
mehr thematisiert wurde, auch wenn man die ebenfalls generell
ansteigende Zahl der überlieferten Texte berücksichtigt.
Waren im Alten Reich hauptsächlich Titel als Quellenbasis
heranzuziehen, ergibt die Anerkennung der Sprachverschiedenheit,
die religiös seit dem Neuen Reich möglich ist, ein erweitertes
Bild und schlägt sich in einer bis zur Spätzeit weiter
ansteigenden Anzahl nieder, ohne daß man daraus eine weitverbreitete
Mehrsprachigkeit der ägyptischen Bevölkerung ableiten
könnte.
Katharina Zinn
Doktorandin an der Universität Leipzig
Traduction
:
Salut
à toi, Thot-Lune, qui a séparé
les langues suivant les pays ! (Leipzig, Ostrakon,
Inv. Nr. 3954)
Les
langues étrangères en Egypte Ancienne[1]
Quand
on commence à creuser le thème des langues
étrangères en Egypte Ancienne, il semble
à première vue qu'elles sont absentes
des sources. C'est sans doute pourquoi le sujet été
peu traité par la recherche. Il n'existe aucune
monographie sur ce thème en égyptologie,
même si quelques remarques importantes sont éparpillées
ici et là, constituant des résultats annexes
d'autres thèmes de recherche. Ainsi Siegfried
Morenz, dans sa contribution sur "La littérature
égyptienne et son environnement", dans le
Manuel de l'orientalisme, évoque la nécessaire
pratique des langues étrangères comme
condition fondamentale pour les échanges de littérature
au sein des échanges culturels.[2]
Dans la littérature secondaire, il n'y a presque
guère que les récits de Sinouhé
et d'Ounamon qui peuvent fournir des réflexions
sur ce thème. Il faut donc aussi se tourner vers
les sources extra littéraires et culturelles[3],
comme les témoignages des activités royales
que sont les titres portés par les fonctionnaires
en expédition, les narrations de campagnes militaires,
ou encore les documents médicaux.[4]
(à
suivre)...
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